DER KULTUR-TRUCK
Tourtagebuch
16.06.2021
Waren an der Müritz (33. Tag)
Der Bodden ist schlammig und der Einstieg abenteuerlich. Das hält uns aber nicht davon ab, ein Bad zum Wachwerden zu nehmen. Das Leben ist schön! Wir sind hier im Paradies. Als wir unseren Café schlürfen, begrüßt uns Vera. Sie erzählt uns von ihren Beweggründen, dieses Land zu kaufen, von ihren Plänen und ihrer Berufung. Ihre Augen sprühen vor Begeisterung und ihre Worte sind so gehaltvoll, energiegeladen und echt, dass ich am Liebsten das Gespräch gefilmt hätte, um kein Detail zu vergessen. Zum Beispiel ihre Planungen zu dem Inklusionsspielplatz, die sie bereits seit zwei Jahren verfolgt und bald im Park umsetzen möchte. 98 Prozent ihres Lebens sind Berufung und 2 Prozent werden gefüllt mit „gallichen“ Menschen und dem Ableben ihrer vierbeinigen Familienmitglieder. Davon gibt es knapp 400 (!) im Park und alle kennt Vera bei Namen. Vera sollte ein Buch schreiben, finden wir. Sie überlegt spontan den Titel und wir finden „Midlifecrisis – Jetzt?“ würde spannend klingen. Denn Vera ist kurz vor 40 und fragt sich, ob jetzt Zeit für diese Zeit ist. Wie auch immer, diese positive Lebensausrichtung begeistert und ist absolut vorbildhaft. Noch zwei Sätze weiter und wir schmeißen spontan den Tagesplan über den Haufen, denn unser Herz sagt, dass wir hier soviel Energie bekommen haben und es das Naheliegendste ist, auch etwas Energie hier zu lassen. Und weil Fred, der Haus- und Hofelektroniker, das E-Piano notdürftig mit den zur Verfügung stehenden Mitteln repariert hat, planen wir für den Mittag ein Konzert mit Paella fürs Team. Die Männer besorgen schnell noch neue Ware und die Mädels satteln die Pferde und auf geht’s zu „unserer Bühne“ im Eingangsbereich des Parkes. Wir lernen auch den Nachwuchs Nina und Hannes kennen. Besonders Veras mütterlicher Ton, wenn sie ihren Sohn ruft, lässt unseren Hannes ein paarmal aufschrecken. Das Klavier hält durch und beim letzten Ton ist es dann wieder hin. Fred ist leider schon weg, also brauchen wir eine neue Lösung – die hoffentlich auf dem Weg nach Waren kommt. Wir verabschieden uns und es steht fest, wir kommen wieder! Spätestens nächstes Jahr zu der Hochzeit von Vera und Arne, zu der wir herzlich eingeladen sind. Wir schließen fremde Menschen innerhalb kürzester Zeit in unser Herz. Das ist ein wahres Geschenk. Vera, Arne, Nina & Hannes, vielen Dank für Euer Vertrauen! Die Zeit lässt sich nicht anhalten und wir brechen auf nach Waren. Der Zombie Escaper muckt und auch die neue Dieselnahrung hilft nicht. Also nutzen wir die Nähe zur Autowerkstatt Euromaster in Greifswald und bewundern den Einsatz der beiden KFZ-Profis. Mit vereinten Kräften und vollem Körpereinsatz finden sie den Fehler, beseitigen den Störenfried und dabei zögern sie auch nicht, mit dem Mund (!) Diesel von einem Schlauch in den anderen zu transportieren. Auf die Frage, ob das nicht ungesund sei, bekommen wir die Antwort „ich schlucke es ja nicht“. Wir füllen ihre Cafekasse und sind eine Stunde später wieder auf der Straße. Der Sunlight Warrior ist mittlerweile in Waren angekommen, allerdings ohne Klavierlösung. Hannes schlägt vor, dass wir zurück in den Erlebnispark fahren und sie kommen auch zurück, dort könnten wir das Leihklavier holen und die nächsten beiden Stops müssten dann ausfallen. Die Idee ist verlockend, doch der Weg ist unaufhaltsam, also entscheiden wir uns, uns erstmal in Waren zu treffen und dann weiter zu beratschlagen. Dort wartet auch schon Anja (ein Lahnstein-Kontakt) mit Mama und Kindern auf uns und die haben sich schon sehr auf Paella & Musik gefreut. So richtig Lust hat keiner mehr von uns, alles aufzubauen nach diesem erlebnisreichen Tag und der völlig verspäteten Ankunft in Waren. Irgendwie tuen wir es doch und siehe da, das Klavier funktioniert und die Stimmung ist genial. Die Hafenpromenadenflanierer bleiben stehen und lauschen der Musik, Sven erzählt uns vom frühen Tod seiner Schwester und dass er seine Trauer u.a. durchs Tanzen verarbeitet hat und er tanzt zu Hannes Musik.
Und als wir später noch an der Paellapfanne mit den Gästen reden, kommen noch Spenden von Menschen, die auf den Yachten im Hafen saßen und der Versammlung auf diese Weise beigewohnt hatten. Hier ist mediterrane Hafenstimmung und ein lebensfrohes Publikum. Beschwingt beschließen wir in diesem Städtchen über Nacht zu bleiben und den Abend bei einem Feierabenddrink mit Blick auf die Müritz ausklingen zu lassen. Fazit: Wenn Du Gott zum Lachen bringen möchtest, dann mache Pläne.